Ich habe versagt! Das habe ich meiner Mum und einem Freund gesagt nach meinem Interview. „Ich war so nervös, dass ich kaum einen richtigen Satz rausbekam. Was absolut beschissen ist, weil ich es liebe zu schreiben und dann so wortkarg bin.“
Wir fuhren nach Hause und ich stopfte Chips in mich hinein, um meine Gefühle zu betäuben. Ich wollte mein Buch bestmöglich präsentieren und habe versagt. Es gibt keine zweite Chance, das wieder gutzumachen.
Ich erinnere mich daran, als ich die Anfrage per Mail bekam und total aufgeregt war. Irgendwie kam nach der ersten Freude die Ernüchterung. Da ich aber meine Freude immer sofort teile, erzählte ich meiner Familie davon. (Großer Fehler, direkt danach wollte ich nicht mehr)
Danach war klar, ich fahre zur Buchmesse. Ein Foto zu machen wird schon nicht so schlimm sein. Nur was ziehe ich an. Ich wollte möglichst unauffällig und normal wirken. (Mit einer Vorliebe für schwarze Sachen ist das möglich-nur irgendwie waren alle so bunt gekleidet.) Also bestellte ich ein schwarzes Kleid, kombinierte dazu meine Bikerboots und meine Lederjacke. Ach ja, vergessen wir die Barrett-Mütze nicht. Frag mich bitte nicht, was ich mir dabei dachte. Nachdem ich die Fotos sah, dachte ich mir auch nur du heilige scheiße.
Ich fühlte mich schrecklich unwohl und hoffte irgendwie, dass wir nie dort ankommen. Das taten wir auch nicht, weil wir uns verfuhren und dann viel zu spät dort ankamen. Dann kam der Moment der Wahrheit, es war kein Foto, sondern ein Interview. Ich merkte wie das Adrenalin in mir Aufstieg. Meine Bewegungen wurden immer schneller und unbedachter. Aber zu kneifen, war keine Option. Wir hatten fünf Stunden Fahrt auf uns genommen und ich würde das jetzt durchziehen. Die Zeit schien immer langsamer zu laufen. Jede Sekunde kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich wartete auf meinen Einsatz und merkte, wie ich anfing zu schwitzen. Meine Hände zitterten und meine Gedanken überschlugen sich.
Als Kind ging ich zum Schauspielunterricht, weil ich lernen wollte, noch mehr Emotionen zu erzeugen, um bessere Geschichten zu schreiben. Ich ging vollkommen darin auf. Bis zu dem Tag, an dem ich meine erste Rolle bekam. Ich redete gerne und viel und das den ganzen Tag. Aber was da passierte, sollte alles verändern. Ich kannte meinen Text, war mega vorbereitet und versagte. Ich stotterte, schwitzte und weinte. Viele meinten, es sei Lampenfieber, aber es besserte sich nicht. Sobald eine Kamera auf mich gerichtet war, finge ich an zu stottern.
Ich stand also da und diese ganzen Gedanken gingen mir durch den Kopf. Dann der entscheidende Moment. Ich wurde positioniert und bekam einige Anweisungen. Meine Wahrnehmung war mittlerweile so schlecht, dass ich kaum wahrnahm, was man mir sagte. Ich bekam die erste Frage gestellt und merkte, wie ich viel zu schnell losredete. Ich überschlug mich förmlich und fing an, Dinge zu vertauschen. Die restlichen Minuten war ich gefangen in einem Zustand der Angst. Nach drei Minuten war alles vorbei.
Meine Mutter fand mich großartig, aber sie stand zu weit weg, um meine Verunsicherung und meine Angst zu spüren. Ich hatte versagt, schon wieder. Wir sind diesen weiten Weg gefahren und haben so viel Geld bezahlt, damit ich einfach versagte. Direkt danach wollte ich nach Hause und fühlte mich noch unwohler.
Ich hatte keine Ahnung, dass dieser Tag im Oktober 2022 mein Leben verändern würde.
Als wir nach Hause fuhren, hörte ich Musik und dachte darüber nach, wie das schon wieder passieren konnte. Ich fand nicht wirklich eine Antwort darauf, aber eins wusste ich, dass alles hat ein Ende. Aufgeben klang plötzlich so einfach, aber das war es nicht. Ich konnte nicht davor weglaufen. Es kam mir in den Kram, dass es nicht funktionierte. So konnte ich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen und meinen Träumen hinterher Trauern.
Das tat ich auch das ganze restliche Wochenende lang. Meine Familie war nicht glücklich darüber und machten mir Mut. Bis heute aber wurde das Interview nicht veröffentlicht und das heißt, es war wirklich schlecht. Aber auch, dass ich noch eine Chance hatte. Ich habe genau jetzt die Möglichkeit, mich richtig reinzuhängen oder es für immer bleiben zulassen.
Meine Entscheidung war leicht getroffen und mit Beginn dieses Jahres änderte sich alles. Ich gehe den Weg, den ich immer gehen wollte. Ab sofort gehe ich volles Risiko ein und sollte ich wieder versagen, werde ich anders damit umgehen. Viel offener und gleich sagen, dass ich nervös bin. Dafür sorgen das ich mich wohlfühle und für mich selbst einstehen.
Ich war ein Mädchen, das versagt hatte und dann wieder versagt hat, aber am Ende machte es mich stärker.
Ich erinnere mich an diesen Tag, als wäre es gestern gewesen. Meine Augen schmerzten vom weinen und mein Magen tat weh vom vielen Essen. Am Ende habe ich aber die wohl wichtigste Entscheidung in meinem Leben getroffen.
Obwohl ich versagt habe, ist es kein Weltuntergang, sondern eine neue Chance. Eine Chance beim nächsten Mal alles anders zu machen. Und glaub mir, es wird ein nächstes Mal geben.
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